Hypothesenarten – Arten von Forschungshypothesen

von | Zuletzt bearbeitet am: Nov 10, 2023 | Wissenschaftliches Arbeiten

Es existieren v.a. drei verschiedene Arten von Forschungshypothesen, die aus der/den Forschungsfrage(n) abgeleitet werden. Je nach Forschungsfrage bedarf es einer anderen Art von Hypothese bzw. Hypothesenformulierung: Unterschiede, Veränderungen oder Zusammenhänge.

Hierzu auch:
Die Forschungshypothese („research hypothesis“) wird aus etablierten Theorien und/oder gut gesicherten empirischen Befunden abgeleitet und postuliert die Existenz, Richtung und Stärke eines bestimmten Effekts.“, Döring, Bortz (2016) Forschungsmethoden und Evaluationen, S. 146.

 

1. Unterschiedshypothesen

Die allererste Hypothesenart sind Unterschiedshypothesen und hierbei werden zwei oder mehr Gruppen auf Unterschiede hinsichtlich eines Merkmals geprüft.

1.1 Zwei Gruppen

Beispielsweise möchte ich eine zufällige Gruppe von Männern und eine zufällige Gruppe von Frauen hinsichtlich ihres mittleren Gewichtes vergleichen.

  • Die ungerichtete/zweiseitige Hypothese hierzu lautet:
    Männer und Frauen haben ein unterschiedliches Gewicht.”
    So eine Formulierung nennt man deshalb ungerichtet, weil NICHT explizit in der Hypothese formuliert ist, ob die Männer ein höheres Gewicht haben oder ob die Männer ein geringeres Gewicht haben.
  • Dieselbe Hypothese kann man auch gerichtet/einseitig formulieren. Da Männer im Schnitt größer sind und deswegen typischerweise schwerer sind, würde man unterstellen:
    Männer haben ein höheres Gewicht als Frauen.”
Zur Untersuchung kann man den Zweistichproben t-Test (R, SPSS, Excel) oder den Mann-Whitney-U-Test (R, SPSS) verwenden.

 

1.2 Mehr als zwei Gruppen

Habe ich mehr als zwei, z.B. drei Gruppen, muss die Formulierung jeweils etwas angepasst werden.
Beispielsweise möchte ich den mittlere Ruhepuls von nicht trainierten Menschen, von Amateursportlern und von Profisportlern miteinander vergleichen.

  • Eine mögliche ungerichtete Unterschiedshypothese könnte demnach lauten:
    Die drei Gruppen (Nichtsportler, Amateursportler und Profisportler) haben unterschiedliche mittlere Ruhepulse.”
  • Eine gerichtete Unterschiedshypothese beachtet den besseren Trainingsgrad des Herzens und den damit niedrigeren Ruhepuls bei den Profisportlern verglichen mit den anderen beiden Gruppen. Zusätzlich kann unterstellt werden, dass Amateursportler einen niedrigeren Ruhepuls als Nichtsportler haben.
    Folglich wäre eine mögliche gerichtete Unterschiedshypothese:
    Profisportler haben einen niedrigeren Ruhepuls als Amateursportler und Nichtsportler, zudem haben Amateursportler einen niedrigeren Ruhepuls als Nichtsportler.
Zur Untersuchung kann die einfaktorielle ANOVA (R, SPSS, Excel) oder die nichtparametrische Alternative, der Kruskal-Wallis-Test (R, SPSS) herangezogen werden.

 

2. Veränderungshypothesen

Veränderungshypothesen unterstellen für dieselben Untersuchungsobjekte infolge einer Intervention eine Änderung einer Messgröße. Die Anzahl der Messzeitpunkte ist hierbei entscheidend für die Analysen.

2.1 Zwei Zeitpunkte

Diese Art der Veränderungshypothese ist die einfachste Form. Sie hat eine Messung eines Parameters vor einer Intervention und nach einer Intervention. Der Parameter wird nun auf Veränderungen geprüft, also ob er sich geändert (gestiegen oder gesunken) oder nicht verändert hat.

  • Eine ungerichtete Veränderungshypothese geht lediglich von einer Änderung des Parameters aus. Zum Beispiel kann man infolge einer Ernährungsumstellung die Entwicklung des Eisenwertes im Blut beobachten.
    Beispielformulierung:
    Es kommt zu einer Änderung des Eisenwertes infolge einer Ernährungsumstellung.
  • Eine gerichtete Veränderungshypothese wäre, dass die Veränderung konkret formuliert werden kann. Im Idealfall führt eine Ernährungsumstellung – sofern der Eisenwert zu niedrig ist – dann zu einer Erhöhung.
    Beispielformulierung:
    Eine Ernährungsumstellung für zu einer Erhöhung des Eisenwertes.
Zur Untersuchung kann der abhängige t-Test (R, SPSS, Excel) oder der Wilcoxon-Test für abhängige Stichproben (R, SPSS) gerechnet werden.

 

2.2 Mehr als zwei Zeitpunkte

Hier ist das Prinzip ähnlich, es wird aber nach der Intervention eine oder mehrere zusätzliche (dritte, vierte) Messung(en) durchgeführt, um zu sehen, wie konstant die Veränderung ist bzw. ob im Zeitablauf die Wirkung wieder nachlässt oder sich erst nach einer gewissen Zeit völlig entfaltet.

  • Ungerichtete Formulierung:
    Es kommt zu einer Änderung des Eisenwertes infolge einer Ernährungsumstellung.
  • Gerichtete Formulierung:
    Infolge einer Ernährungsumstellung steigt der Eisenwert nicht unmittelbar. Spätere Messungen zeigen einen höheren Eisenwert.
Zur Untersuchung kann die ANOVA mit Messwiederholung (R, SPSS) oder der Friedman-Test (R, SPSS) gerechnet werden.

 

3. Zusammenhangshypothesen

Schließlich gibt es noch die 3. Art, die Zusammenhangshypothesen.

  1. Können Ursache und Wirkung nicht klar hergeleitet und benannt werden, muss sich dies in einer anderen Art der Formulierung widerspiegeln.
    Man spricht hierbei lediglich von einem Zusammenhang ohne Wirkrichtung (A <-> B).
  2. Ist die Richtung des Zusammenhanges jedoch bekannt, kann ein Zusammenhang mit Wirkrichtung formuliert werden (A -> B).

 

3.1 Ursache und Wirkung sind nicht bekannt (A <-> B)

Die grundlegende Annahme, dass zwei Variablen miteinander zusammenhängen, nennt man auch Korrelation. Die Wirkrichtung ist hierbei unbekannt. A kann zu B führen oder umgekehrt. Zum Beispiel würde man einen Zusammenhang zwischen Gewicht und der Menge des Schokoladenkonsums unterstellen – was zu was führt, ist hierbei NICHT formuliert und auch nicht untersuchbar (Korrelation heißt nicht Kausalität und wird unter dem Fehlschluss der Scheinkausalität zusammengefasst – Stichwort: “Cum hoc ergo propter hoc”).

  • Ungerichtet würde die Formulierung lediglich lauten:
    Es existiert ein Zusammenhang zwischen Menge des Schokoladenkonsums und Gewicht.
    Hierbei ist nicht formuliert, ob es einen positiven oder negativen Zusammenhang gibt. Es wird die Möglichkeit offen gelassen, dass schwerere Menschen weniger oder mehr Schokolade konsumieren – oder weniger Schokoladenkonsum bei schwereren oder leichteren Menschen beobachtbar ist. Insgesamt ist eine Korrelation eine eher naive Herangehensweise, wenn man die Formulierungen und deren Folgen betrachtet – das ist aber typisch für sog. bivariate Korrelationsanalysen.
  • Wenn man gesicherten Forschungsergebnissen folgt, lautet die Hypothese, dass ein höherer Schokoladenkonsum und ein höheres Gewicht einhergehen.
    Gerichtet wäre die Formulierung:
    Es existiert ein positiver Zusammenhang zwischen Menge des Schokoladenkonsums und Gewicht.
    Ob der Schokoladenkonsum zu höherem Gewicht führt oder schwerere Menschen lieber Schokolade essen, bleibt an dieser Stelle zunächst ungeklärt – eine Korrelation kann nichts über die Richtung der Wirkung aussagen! Richtung der Wirkung ist hierbei nicht mit ungerichtet oder gerichtet zu verwechseln!
Zur Untersuchung können – je nach Skalenniveau der Variablen – verschiedene Korrelationskoeffizienten herangezogen werden. Korrelationskoeffizienten nach Pearson, Spearman, Kendall-Tau, Chi² usw. – Übersicht.

 

3.2 Ursache und Wirkung sind bekannt (A -> B)

Ursache (auch unabhängige Variable oder Prädiktor) und Wirkung (abhängige Variable, Kriterium) sind in diesem Fall eindeutig im Vorfeld hergleitet und benannt. Um im obigen Beispiel von Gewicht und Menge des Schokoladenkonsums zu bleiben würde dies bedeuten, dass Schokoladenkonsum zu einem höheren Gewicht führt. Dies wird im Rahmen von sog. einfachen oder multiplen Regressionsanalysen untersucht.

  • Ungerichtet würde diese Formulierung lauten:
    Wenn Schokolade konsumiert wird, ändert sich das Gewicht.
  • Gerichtet wäre die Formulierung:
    Je mehr Schokolade konsumiert wird, desto größer ist das (Über)Gewicht.

Folglich kann eigentlich nur mit der gerichteten Formulierung die landläufige Meinung korrekt untersucht werden, nämlich das ein erhöter Schokoladenkonsum zu einem höheren Gewicht führt.

Zur Untersuchung können Regressionen gerechnet werden. Typische Formen sind die lineare Regression (R, SPSS, Excel) oder binär-logistische Regression (R, SPSS).

 

4 Literatur

Döring, N., Bortz, J. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Deutschland: Springer Berlin Heidelberg, speziell Kapitel 5.2, S. 145-149

 

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